Mag die Vorstellung auch nicht jedem gefallen, Tatsache ist, dass der berufliche Aufstieg in Deutschland eng mit der schulischen Vorbildung verknüpft ist. Wer kein Abitur oder zumindest die Fachhochschulreife nachweisen kann, dem bleibt der Weg in die mittleren oder höheren Laufbahnen verwehrt – es sei denn, er oder sie entschließt sich zu einer internen oder externen weiterbildenden Maßnahme. Auch das Abitur lässt sich vermittels einer Weiterbildung nachholen. Der erfolgreiche Abschluss öffnet nicht nur die Türen von Universitäten und Hochschulen, er ebnet auch immer häufiger den Weg zu Ausbildungsberufen. Darüber hinaus kann das Nachholen des Abiturs wie eine Aufstiegsweiterbildung wirken. Wer über eine fundierte Allgemeinbildung verfügt und bewiesen hat, dass er in der Lage ist, sich diszipliniert und erfolgreich weiterzubilden, stärkt nicht nur das eigene Selbstbewusstsein, sondern beeindruckt auch so manche/n Arbeitgeber/-in.
Abitur nachholen – Der Weg zum beruflichen Aufstieg
Allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife
Zu unterscheiden ist zwischen einer fachgebundenen und einer allgemeinen Hochschulreife. Die fachgebundene Hochschulreife erwerben Lernende an Berufs- oder Fachoberschulen. Diese vermitteln Kenntnisse und Fertigkeiten, die für den Einstieg in einen Beruf qualifizieren – beispielsweise im Bereich Technik oder Sozialwesen. Durch eine Fächererweiterung und zusätzliche Prüfungen können Lernende zudem die Fachhochschulreife erlangen, die sie befähigt, ein inhaltlich verwandtes Fach zu studieren. Nicht fachgebunden ist die allgemeine Hochschulreife, also das eigentliche Abitur. Obwohl auch hier schon eine Art Spezialisierung erfolgt, da die angehenden Abiturienten Schwerpunkte durch bestimmte Fächerkombinationen setzen, können sie im Anschluss prinzipiell jedes Fach studieren – sofern Numerus clausus oder andere Beschränkungen dem nicht entgegenstehen. Das Abitur lässt sich jederzeit nachholen. Wer noch nicht volljährig ist, hat die Möglichkeit, sich auf dem ersten Bildungsweg zu qualifizieren. Wer den zweiten Bildungsweg wählt, muss dafür in der Regel mindestens 19 Jahre alt sein. Er oder sie hat die Möglichkeit, das Abitur an einer Erwachsenenschule, am Abendgymnasium, in Kursen der regional ansässigen Bildungseinrichtungen oder in Fernlehrgängen nachzuholen. Ein Einstieg ist zum Schuljahreswechsel oder – bei Fernlehrgängen – zu frei wählbaren Terminen möglich. Voraussetzung, um das Abitur problemlos nachholen zu können, ist ein mittlerer Bildungsabschluss. Besonders Begabte oder fleißige Selbstlerner/-innen können eine Externen- oder auch eine Begabtenprüfung ablegen. Einzelheiten regeln die Gesetze und Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes.
Abitur nachholen – welche Schulform ist die richtige?
Die Entscheidung für oder gegen eine Schule, an der sich das Abitur nachholen lässt, kann nur individuell getroffen werden, ist sie doch von der persönlichen Situation der zukünftigen Abiturienten/Abiturientinnen abhängig. Die wichtigsten Faktoren der Auswahl heißen wie so oft im Leben Zeit und Geld.
- Wie viel Zeit hat der/die Interessierte für die Fortbildung?
- Kommt eine Ganztagsschule überhaupt in Betracht?
Für Berufstätige oder Personen, die tagsüber andere Verpflichtungen haben, bietet sich vor Ort lediglich die Abendschule an. Und auch hier sollte jeder, der sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, das Abitur nachzuholen, noch einmal in sich gehen:
- Schafft er oder sie es zeitlich, jeden Abend zur Schule zu gehen?
- Ist er oder sie ausreichend motiviert, um auf Sport oder Kino, Treffen mit Freunden oder auch nur den TV-Thriller zu verzichten?
Wer an dieser Stelle bereits verunsichert ist, sollte sich alternativ mit der Möglichkeit befassen, das Abitur per Fernstudium nachzuholen. Fernlehrgänge stehen prinzipiell jedem/jeder offen, nicht nur Berufstätigen. Der große Vorteil gegenüber Präsenzlehrgängen besteht darin, dass Zeit und Ort des Lernens frei wählbar sind. Auf der anderen Seite ist jedoch ein Mindestmaß an Disziplin erforderlich, um nicht in eine „Aufschieberitis“ zu verfallen. Motivation muss also auch beim Fernstudium vorhanden sein.
Abitur nahholen: Fächerkombinationen berücksichtigen
Für welche Schulform sich die Lernenden auch entscheiden, in jedem Fall müssen sie also Zeit einplanen, nicht allein für die Teilnahme an Seminaren, sondern auch für das eigenverantwortliche Lernen. Damit es mit der Motivation klappt, sollten Interessierte sich vor Beginn des Abiturlehrganges auch mit den Fächerkombinationen befassen, die sie an der jeweiligen Bildungseinrichtung wählen können. Wer bereits sicher weiß, in welche Richtung er anschließend studieren oder sich ausbilden lassen möchte, kann den Erwerb der Fachhochschulreife erwägen – sofern sein Traumberuf auf diesem Weg erreichbar ist. In der Regel verkürzt sich die Lernzeit dann um mindestens ein Jahr. Wer sich alle Türen offen halten möchte oder eigene Ziele nicht über den Besuch einer Fachoberschule erreichen kann, entscheidet sich für die allgemeine Fachhochschulreife und wählt in der Qualifizierungsphase der Oberstufe Leistungskurse. Doch nicht jede Schule bietet alle Fächer an. Auch dieser Faktor sollte daher in die Auswahl der geeigneten Schulform einbezogen werden.
Die Angst vor dem Versagen
Das Abitur bietet vielfältige Chancen, sich für den beruflichen Aufstieg zu qualifizieren. Doch viele Menschen haben das schulische Lernen in negativer Erinnerung, häufig spielen Versagensängste oder ein hoher Leidensdruck unter Anforderungen, die sie damals nicht erfüllen konnten, eine Rolle. Es stimmt wohl – nicht jede/r kann das Abitur schaffen. Aber umgekehrt ist nicht jede/r, der oder die als Jugendliche/r schlechte schulische Leistungen zeigte, ungeeignet, das Abitur nachzuholen. Mit der Reifung der Persönlichkeit wächst die Fähigkeit, sich durchzuboxen, auch wenn es zwischendurch mal uninteressant oder besonders anstrengend wird. Lernen im Erwachsenenalter ist ohnehin anders als das schulische Lernen auf dem ersten Bildungsweg. Viele Erwachsene entdecken zum ersten Mal, dass Lernen nicht nur anstrengend ist, sondern auch Freude bereiten kann. Den eigenen Verstand schulen, Zusammenhänge erkennen und begreifen, das eigene Wissen und die Fähigkeit, sich auszudrücken, verbessern – all das sind Kompetenzen, die für die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins mindestens so relevant sind wie für den beruflichen Alltag.